Schauen Sie in diese Gärten!

Die Landesgartenschau in Höxter wurde mit dem Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis ausgezeichnet – Anlass, über das Projekt zu berichten. Doch mit welchem Preis wird eigentlich Österreichs innovative Landschaftsarchitektur gewürdigt? Von Stephanie Drlik, 27.09.2025 in Die PRESSE

In der Kleinstadt Höxter im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen entstand eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Landesgartenschau. Dabei stand weniger die Schau im Vordergrund als vielmehr eine langfristige Weiterentwicklung der Fachwerk-Altstadt am Weser-Fluss, die durch die Gartenschau eingeläutet werden sollte. Im Rahmen eines Wettbewerbs im Jahr 2019 wurden Ideen für gleich vier Teilbereiche auf einer Fläche von rund 400.000 Quadratmetern gesucht: für die historische Wallanlage, die Weserpromenade und den Weserbogen mit den Ruinen der im 13. Jahrhundert zerstörten Siedlung Corvey sowie den Remtergarten am Unesco-Weltkulturerbe Karolingisches Westwerk und Schloss Corvey. Für Planung und Umsetzung standen drei Jahre und ein Budget von rund 33 Millionen Euro zur Verfügung.

Unprätentiöses, aber selbstbewusst

Den Wettbewerb konnten die Planer:innen von Franz Reschke Landschaftsarchitektur mit einem einfühlsamen, unprätentiösen, aber selbstbewussten Konzept für sich entscheiden. „Wir haben den Bestand akzeptiert und integriert und oftmals eher behutsam, aber gründlich aufgeräumt“, so Franz Reschke, Inhaber des Berliner Landschaftsarchitekturbüros.

roman-thomas.de

Die Gestaltung des Remtergartens und des Archäologieparks im Weserbogen am ehemaligen Benediktinerkloster, heute Schloss Cor­vey, war eine klassische Aufgabe im Rahmen einer Landesgartenschau. Beide Areale gehören zum Einzugsbereich des Weltkulturerbes und verlangten daher besonderes Feingefühl. Wo vorher Weihnachtsbäume gewachsen waren, entstand ein modern interpretierter Klostergarten. Historische Strukturen wurden aufgegriffen und mit Rosen, Stauden, Sträuchern und alten Gemüsesorten zeitgemäß neu interpretiert.

Im Rahmen einer Gartenschau ungewöhnlicher war die Neugestaltung der Wallanlage. Einst kaum nutzbar, kann man sich heute über eine großzügige Parkanlage freuen. Der beeindruckende Altbaumbestand wurde erhalten und durch eine Wiese und ein breites Staudenband aufgewertet, das Pflanzplaner Christian Meyer mit großer Aufmerksamkeit gestaltet hat. Ein neuer Spielplatz auf einer frei gewordenen Parkplatzfläche macht die Wallanlage zu einem lebendigen Treffpunkt.

Bewohner helfen bei der Pflege

Ufergestaltungen sind zwar klassische Aufgaben der Landschaftsarchitektur, für eine Gartenschau allerdings eher eine Besonderheit. Doch die Neugestaltung des Weserufers war ein zentraler stadtplanerischer Baustein, um die Stadt an das Gewässer zu führen. Aus dem unscheinbaren Uferweg im Bestand wurde eine urban gestaltete Promenade mit Sitzstufen und einer langen Bank entlang der Stadtmauer – heute einer der beliebten Treffpunkte der Stadt. Ebenso frequentiert ist die Weserscholle, wo aus einem brachliegenden Güterbahnhof ein außergewöhnlicher Veranstaltungs- und Aufenthaltsort entstand. „Wir wollten soziale Orte schaffen, nicht nur schöne Blicke in die Umgebung“, erklärt Reschke seinen ambitionierten Zugang zur Aufgabe „Gartenschau“. Mit Klostergarten, Park am Wehr, Uferpromenade und Weserscholle entstand ein stimmiges und bis ins Detail sorgfältig gestaltetes Gerüst, das Menschen alltäglichen Mehrwert bringt.

Remtergarten Corvey: berankte Pergola als Akzent im üppigen Küchengarten. Franz Reschke Landschaftsarchitektur 

Für die 30.000-Einwohner-Stadt war die Landesgartenschau eine Initialzündung. Stadt und Bürger:innen ziehen seither an einem Strang – alle packen an, auch bei Pflege und Erhaltung ihrer liebgewonnenen Freiräume. Hier ist neben hochwertiger Entwurfsarbeit vor allem eines gelungen: die zeitgemäße Auslegung einer Landesgartenschau, die einen langfristigen Beitrag für den Ort leistet und zeigt, wie vielfältig Landschaftsarchitektur sein kann.

Höxter – wo, was?

Hand aufs Herz: Hatten Sie vor diesem Artikel schon von Höxter oder der dortigen Gartenschau gehört? Falls nicht, ist das kaum verwunderlich, schließlich liegt das Weserbergland peripher, und über Landesgartenschauen wird generell wenig berichtet. Auch die Autorin, selbst Landschaftsarchitektin, wäre kaum darauf gestoßen, gäbe es nicht den Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis. Der Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen (bdla) verlieh ihn kürzlich in feierlichem Rahmen in Berlin, und der erste Preis ging an Franz Reschke und sein Team für die Leistungen in Höxter. Dass mit der renommierten Auszeichnung eine öffentliche Aufmerksamkeit für prämierte Projekte einhergeht, ist Sinn und Zweck der Sache. Der Preis würdigt aber ebenso die Disziplin Landschaftsarchitektur als wichtigen Bestandteil der Baukultur in Deutschland. Und das ist wichtig, denn wie Menschen künftig leben können, hängt heute maßgeblich von der Gestaltung der gebauten Umwelt ab.

Auswahlverfahren setzen Standards

Konzepte für Städte, ländliche Räume, Mobili­tät, Parks, Plätze sowie Wohn- und Arbeitsumfelder tragen dazu bei, nachhaltige Lebenswei­sen zu ermöglichen. „Unsere Expertise in Kombination mit unserer Vorstellungskraft und Entwurfsfähigkeit ist von großer Bedeutung“, er­klärt Stephan Lenzen, Präsident des bdla und wichtige Stimme im deutschen Baukulturdiskurs. „Planende Berufe sind gefordert, eine Vorreiterrolle für klimagerechtes und -angepasstes Erschaffen und Bewahren von resilien­ten Lebensräumen einzunehmen. Neben den ökologischen Folgen werden auch die sozialen Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher“, sagt Lenzen und spielt darauf an, dass die Herstellung von gesellschaftlicher Klimagerechtigkeit ebenfalls eine Planungsaufgabe ist.

Weserpromenade Höxter: wiederangelegter Treidelweg an der Uferkante.  Franz Reschke Landschaftsarchitektur 

Die verschiedenen Kategorien des bdla-Preises spiegeln diese vielfältige Relevanz wider. Neben dem Hauptpreis werden Auszeichnungen wie „Bauen im Bestand“, „Klimaanpassung“ oder die „Reifeprüfung“ vergeben. Jurierte Auswahlverfahren wie diese sind nicht nur öffentlichkeitswirksam, sie setzen auch baukulturelle Standards, denen eine intensive Beschäftigung mit aktuellen Qualitätsindikatoren und dem Wert eines Entwurfs zugrunde liegen. Sie würdigen die Leistung der Planungsbüros, ebenso wie jene der Bauherrinnen und Bauherren, die als Auftraggeber:innen hochwertiger Projekte Vorbild- und Anreizwirkung haben.

Technisch innovative Nachbegrünungskonzepte

In Österreich hingegen fehlt ein vergleichbarer Preis für Leistungen der heimischen Landschaftsarchitektur. Zwar setzen zahlreiche Architekturauszeichnungen unterschiedliche thematische Schwerpunkte hinsichtlich Nachhaltigkeit, doch zumeist können beteiligte Landschaftsarchitekt:innen froh sein, wenn sie überhaupt als Fachplaner:innen genannt werden. Wertschätzung sieht anders aus. Dabei ist hierzulande eine aktive Szene an freischaffenden Landschaftsarchitekt:innen tä­tig, die außergewöhnliche Projekte plant und umsetzt. Gerade im Bereich der Klimawandelanpassung gehören sie mit technisch innovativen Nachbegrünungskonzepten im Bestand zur Weltspitze. Blau-grüne Infrastrukturen in Straßen, auf Plätzen und an Gebäuden ziehen internationale Delegationen an, die österreichische Best-practice-Projekte zum Vorbild nehmen. Es wäre also an der Zeit, diese herausragenden heimischen Leistungen vor den Vorhang zu holen und mit einem Österreichischen Landschaftsarchitekturpreis zu würdigen.