Tausend Bäume für Linz

Bäume sind nachhaltige wie wertvolle Waffen gegen urbane Überhitzung und hohe Folgekosten des Klimawandels. Doch in Städten finden sie zum Teil schwierige Bedingungen vor. Neue Technologien sollen helfen, damit sie erfolgreich Wurzeln schlagen. Stephanie Drlik in Die PRESSE / 05.06.2021

Regierungen setzen derzeit endlich erste Schritte, um das weitere Voranschreiten des Klimawandels zu bremsen. Doch die Politik handelt zu zögerlich, wie Wissenschaftler meinen. Wir werden es nicht mehr schaffen, die Veränderungen des Klimas zur Gänze abzuwehren. Neben dem Klimaschutz gewinnen Klimawandelanpassungsmaßnahmen als zweite, dringend notwendige Handlungsebene an Bedeutung. Die effektivste Methode, um Städte klimaresilienter zu machen, ist ihre Kühlung durch Begrünung.

Große zusammenhängende Grünstrukturen wie etwa Parkanlagen kühlen am effektivsten. Doch bei knappen Raumressourcen einer Stadt muss oftmals auf alternative Möglichkeiten der grünen Infrastruktur zurückgegriffen werden. In Wien wurde soeben der Ideenwettbewerb „Stadtgrün Wien“ abgeschlossen, bei dem Fachleute Gestaltungsideen für sinnvolle Begrünungen auf Straßen und Plätzen einbringen konnten. Es ist davon auszugehen, dass viele technisch-konstruktive Lösungen darunter sein werden. Dabei ist es ratsam, das Naheliegende nicht aus den Augen zu verlieren: Bäume. Großgehölze werden in der Mikroklimaplanung im dicht bebauten Stadtraum künftig eine wichtige Rolle spielen. Sie wirken wie wahre Klimareaktoren, verwandeln das gefährliche Kohlendioxid in Sauerstoff und kühlen durch Beschattung und Verdunstungsleistung. Ganz abgesehen von ihrer Bedeutung als Luftfilter, Windschutz und Lebensraum für Tiere.

Warum Bäume, trotz ihrer unbestrittenen Vorzüge in Städten bislang nicht noch stärker zum Einsatz kamen, dürfte an den schwierigen Standortbedingungen liegen, die Städte bieten. Die mangelnde Verfügbarkeit von Wasser und Wurzelraum schwächt Bäume, hemmt ihre Klimawirksamkeit und verkürzt ihre Lebensdauer. Gibt es eine Lösung?

Gerade Linz, das in der Community der Planer und Planerinnen nicht gerade für einen progressiven Einsatz von Landschaftsarchitektur bei Bauvorhaben bekannt ist, führt uns jetzt vor, wie es in Sachen klimawirksamer Stadtraumbegrünung gehen kann. Aufbauend auf einer Stadtklimaanalyse, die insbesonders im dicht bebauten Innenstadtgebiet aufdeckt, dass Handlungsbedarf besteht, wurden die Möglichkeiten der „Aufforstung“ erhoben. Das Büro „3:0 Landschaftsarchitektur“ erstellte einen Plan, der zeigt, wo im Linzer Stadtgebiet Begrünung und Pflanzung von Bäumen möglich wären. Damit wurde zum ersten Mal in Österreich ein Masterplan erarbeitet, der das volle Potenzial an Bäumen eines Stadtzentrums planerisch erfasst. Vorbereitend für alles Weitere brachte ein Gemeinderatsbeschluss eine kommunale Klimastrategie auf den Weg, stattete einen Fördertopf aus und sorgte für die Etablierung eines Klimabeirats, das als wichtiges Beratungs- und Kontrollgremium dienen soll.

Einer der zentralen Bestandteile der Linzer Klimastrategie ist eine Offensive, die innerhalb der nächsten zehn Jahre tausend Baumpflanzungen im überwiegend oberflächenversiegelten Stadtbereich vorsieht – zusätzlich zu den ohnehin geplanten 300 bis 400 Pflanzungen in Grünanlagen, versteht sich. Mit dieser Initiative soll die zunehmende Hitze in der dichten Stadt gemildert und erträglich gemacht und damit die Lebensqualität der Bewohner nachhaltig verbessert werden. Nachhaltig nicht nur, weil Baumpflanzungen per se eine ökologisch sinnvolle und im Klimawandel langfristig gute Entscheidung sind. Nachhaltig auch, weil man sich in Linz für eine besonders Klimawandel-taugliche Methode der Pflanzung von Gehölz entschieden hat, nämlich für das gut erprobte sogenannte Schwammstadt-Prinzip für Stadtbäume.

Hundert neue Bäume pro Jahr hat man sich also vorgenommen. Den diesjährigen Auftakt macht das Projekt Kroatengasse. Der Straßenzug wird auf einer Länge von 340 Metern mit rund 50 Bäumen bepflanzt. Auch begrünte Parkplätze sowie Unterpflanzungen der Bäume mit Blütenstauden werden die Straße künftig kühlen. Die Bäume erhöhen so den Beschattungsgrad von aktuell 0,5 Prozent auf beachtliche 35 Prozent. Möglich wird die Dichte an Baumpflanzungen aber erst durch die neue Bautechnik des Schwammstadt-Prinzips. Dieses macht Baumstandorte möglich, die bislang als technisch nicht umsetzbar galten. „Bei diesem Verfahren werden rund 36 Kubikmeter unterirdischer Straßenraum für jeden Baum frei gemacht und durch Einbringung eines entsprechenden Füllmaterials aufbereitet. Durch den baulich erweiterten Wurzelraum können sich Bäume besser entfalten und wieder entsprechende Kronen ausbilden. Regenwasser kann im Baumwurzelbereich versickern und die Bäume über das Regenereignis hinaus mit Wasser versorgen“, erklärt Daniel Zimmermann vom planungszuständigen Büro 3:0 Landschaftsarchitektur.

Das soll gewährleisten, dass sich die Pflanzen optimal entwickeln und rasch ihre Funktion für das Klima erbringen. Wobei rasch relativ ist, denn Bäume müssen etwa zehn bis 15 Jahre bis zu ihrer vollen Klimaleistung heranwachsen. Ein Baum, der heute gesetzt wird, wird wohl seine volle Leistung erst ab Mitte der 30er-Jahre erbringen. „Es ist daher wichtig, dass Kommunen jetzt aktiv werden“, so Zimmermann. Das möchte auch die unlängst ins Leben gerufene Initiative „KlimaKonkret“ forcieren, an der Zimmermann gemeinsam mit prominenten Testimonials und namhaften Organisationen beteiligt ist. Die Initiative soll Gemeinden und Städte auf ihrem Weg im Kampf gegen den Klimawandel beratend unterstützen und klimafit machen.

Die Kosten für den Umbau der Kroatengasse belaufen sich auf 750.000 Euro, wobei nur rund 15 Prozent davon in die Anschaffung der Bäume fließt. Der überwiegende Teil ist eine „Investition in die Zukunft“, so der für Stadtnatur und Lebensqualität zuständige Linzer Vizebürgermeister Bernhard Baier, der damit die Standortherstellungskosten für die aufwändigen Straßenarbeiten rechtfertigt, die das Schwammstadt-Prinzip erforderlich macht. „Ein großkroniger Baum kühlt so stark wie fünfzehn Klimaanlagen“, erklärt Baier. Das rechnet sich, gerade für Kommunen, denn die Ausgaben werden sich im Klimawandel rasch amortisieren. Wer sich mit Modellen von Klimawandelfolgekosten beschäftigt, weiß, dass Investitionen wie jene in der Kroatengasse neben den enormen zu erwartenden Klimafolgekosten marginal sind. Die tausend neuen Bäume in Linz werden also nicht nur auf nachhaltige Art und Weise die Lebensqualität der Bewohner verbessern, sie werden der Kommune auch dabei helfen, spätere Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren.

Titelbild & Abbildungen: 3:0 Landschaftsarchitektur
KlimaKonkret Karte: KlimaKonkret